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Stadtgeschichte

Sindelfingen: Der Sparherd als Symbol zunehmenden Mangels

Projekt „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ des Stadtmuseums und Stadtarchivs.

Von Horst Zecha
Ein Sparherd, um das Jahr 1944 herum.

Ein Sparherd, um das Jahr 1944 herum.

Bild: Stadtmuseum Sindelfingen

Sindelfingen. Das Projekt „Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg“ stellt monatlich wechselnd ein Thema oder ein Objekt aus der Zeit vor 80 Jahren im Stadtmuseum in den Mittelpunkt. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv entsteht auf diese Weise ein Blick in die Vergangenheit, der unter anderem die Alltagssituation der Menschen damals in den Blick nimmt. Die Monatsvitrine zum Thema wird ab Dienstag, 30. Juli im Stadtmuseum zu sehen sein.

Sehr wenig Brennmaterial

Der Sparherd, der in einem schwäbischen Haushalt während des Zweiten Weltkriegs genutzt und lange Zeit später dem Stadtmuseum übergeben wurde, kann symbolisch für die zunehmende Mangelwirtschaft gegen Kriegsende stehen. Er ließ sich überall aufstellen, brauchte keinen Kaminanschluss und kam mit sehr wenig Brennmaterial aus. Die abnehmbaren Eisenringe ermöglichten die Benutzung von Kochtöpfen verschiedener Größe, die zur besseren Ausnutzung der Feuerwärme in den Herd hineinversenkt wurden.

Mit zunehmender Kriegsdauer fanden solche Herde vermehrt dort Verwendung, wo Bombenschäden die Nutzung einer regulären Küche unmöglich gemacht hatten. Vielfach wurden solche oder ähnliche Herde, die oft aus Metallabfällen hergestellt wurden, in der Nachkriegszeit auch in Flüchtlingsunterkünften verwendet.

Gegen Kriegsmüdigkeit

Die Versorgung sowohl mit Nahrungsmitteln als auch mit Konsumgütern war im Zweiten Weltkrieg im Deutschen Reich lange Zeit relativ gut gewesen, worauf das NS-Regime auch großen Wert legte. Hatte man doch vor Augen, dass der zunehmende Mangel an Nahrungsmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs im Ersten Weltkrieg erheblich zur Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung beigetragen hatte.

So sollte auch die sofort mit Kriegsbeginn eingeführte Bewirtschaftung vieler Lebensmittel und Gebrauchsgüter mithilfe von Marken zu einer gerechten Verteilung beitragen. Verstöße gegen das staatliche Verteilungssystem wurden als „Kriegswirtschaftsverbrechen“ mit drakonischen Strafen belegt.

Zuchthaus wegen Schwarzschlachtungen

So wurde der Wirt des Schwarzen Adlers am Wettbachplatz zusammen mit weiteren Personen 1942 wegen umfangreicher Schwarzschlachtungen zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt und verlor dauerhaft seine Konzession. In Sindelfingen hat dieser Fall offensichtlich viel Aufsehen erregt und mehrfach den Gemeinderat beschäftigt, weil sich hartnäckig das Gerücht hielt, dass Sindelfinger Polizeibeamte von den Schwarzschlachtungen profitiert hätten und deshalb nicht dagegen eingeschritten wären.

Gegen Ende des Krieges wurde die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Heizmaterial und Gebrauchsgütern immer schwieriger. Zum einen gingen durch den Kriegsverlauf immer mehr Gebiete verloren, die zur Ausbeutung genutzt werden konnten. Des Weiteren nahmen die Schäden durch Luftangriffe seit 1943 massiv zu, was zu immer mehr Produktionsausfällen und Schwierigkeiten beim Transport und der Verteilung lebensnotwendiger Güter führte. Und schließlich wurde nach der Ausrufung des „Totalen Krieges“ Anfang 1943 die Konkurrenz um Produktionskapazitäten zwischen der Rüstungs- und der Konsumgüterindustrie immer schärfer.

Landwirte und Gartenbesitzer im Vorteil

Hatten die Städte und Gemeinden im Ersten Weltkrieg noch Spielräume, selbst Nahrungsmittel- und Brennstoffvorräte anzulegen und an die Bevölkerung zu verteilen, ließ die zentrale Steuerung aller Lebensbereiche im NS-Staat diese Möglichkeit offensichtlich nicht mehr zu. Dennoch hatten natürlich Landwirte und Gartenbesitzer immer noch deutlich bessere Voraussetzungen zur Selbstversorgung.

Dass auch die zunehmende Mangelwirtschaft von der NS-Propaganda noch zur „Erzeugungsschlacht an der Heimatfront“ hochstilisiert wurde und die öffentlichen Verlautbarungen mit Hinweisen zum sparsamen Umgang mit Nahrungsmitteln, Brennstoffen und vielen weiteren Artikeln des täglichen Bedarfs geradezu überflutet wurden, kann in diesem Zusammenhang nicht verwundern.

Dass diese Propaganda – wie zum Beispiel Berichte des Sicherheitsdienstes über die Stimmung in der Bevölkerung zeigen – immer weniger verfing, verwundert ebenso wenig. Wer gezwungen war, auf so einem Sparherd zu kochen, dem konnte der Glaube an den „Endsieg“ durchaus abhanden kommen.

Der Autor Horst Zecha war lange Jahre Stadtarchivar am Sindelfinger Rathaus, danach Leiter des Kulturamts. Inzwischen kümmert er sich sich wieder um die Geshichte der Stadt Sindelfingen.

Info

Das Sindelfinger Stadtmuseum im AltenRathaus in der Langen Straße 13 hat folgende Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag 15 - 18 Uhr, Sonn- und Feiertag 13 - 18 Uhr.