Merkel: realitätsfremd und moralisierend
Berlin/Kreis Böblingen. "Die Kapazitäten der Anschlussunterbringung sind völlig erschöpft", sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard. Die Kommunen im Landkreis sind jenseits der Belastungsgrenze und das nicht erst seit gestern. Das Zustrombegrenzungsgesetz der Union zielt darauf ab und hat zwei von drei Bundesbürgern hinter sich.
Die aktuelle Debatte um die Zustimmung der AfD zum Gesetzesentwurf der Union ist notwendig aber sie überlagert die Tatsache, dass eine Änderung der Migrationspolitik dringend nötig ist. Sie überlagert auch, dass die Merkel-Regierungen und die folgende Ampel-Regierung über nun zehn Jahre hinweg Kontrollverlust in Kauf genommen, falsche Anreize für Zuwanderung gesetzt, keine gemeinsame Lösungen für Europa erreicht und dann durch Untätigkeit geglänzt haben. Dass Altkanzlerin Merkel sich jetzt moralisierend einmischt und damit ihrer Union in den Rücken fällt, ist entlarvend.
Freilich ist es viel einfacher, sich über die Zustimmung der AfD zu empören, als einzugestehen, dass zehn Jahre nach dem "Wir schaffen das" nichts geschafft ist. Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich am Donnerstag offen und ungefragt gegen den Migrationskurs von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gestellt. Und damit gegen die CDU und gegen die CSU, die den Kurs mittragen. Und gegen weite Teile der Bevölkerung. Sie halte es für falsch, "sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen".
Jeder, der Angela Merkel in der Migrationspolitik als Referenzpunkt oder gar als moralische Instanz nimmt, tut mir herzlich leid. Ihre Politik hat die AfD erst groß gemacht. Sie hat jahrelang ihr Narrativ ‚Wir schaffen das' verteidigt. Klar ist heute: Wir haben es nicht geschafft, ihre Untätigkeit hat Deutschland gespalten. Daher sollte sie sich mit Empfehlungen in dieser Sache besser zurückhalten. Ob sich die Debatte dieser Tage positiv oder negativ auf die Umfragewerte der Union auswirkt, wird sich erfahrungsgemäß erst mit etwas Abstand zeigen. Klar ist, dass Merz laut aktuellem "ARD-Deutschlandtrend" mit seinem Ziel, die Zuwanderung zu begrenzen, einen Nerv in der Bevölkerung trifft: 68 Prozent sind der Meinung, Deutschland sollte weniger Flüchtlinge aufnehmen als bislang. Ein Gespräch mit den Kommunen vor Ort würde auch Angela Merkel gut zu Gesicht stehen.