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Radsport im Doppelpack

Im Kreis Böblingen laufen die Räder heiß

Das Brezel-Race und der Women‘s Cycling Grand Prix bringen ein Jedermann-Rennen und Profisport auf höchstem Niveau zusammen.
Von Karlheinz Reichert

Radsport. Dr. Stefan Belz ist seit April 2018 Böblinger Oberbürgermeister. Nach sechseinhalb Dienstjahren haben Premieren für ihn Seltenheitswert. Am Sonntag erlebte er eine solche. Zum ersten Mal, nicht nur in seiner Amtszeit, sondern in seinem ganzen Leben, hielt der 44-Jährige beim Startschuss zum Women‘s Cycling Grand Prix auf der Alba-Brücke eine Pistole in der Hand. Dass das bisher nicht vorkam, habe nichts damit zu tun, dass er einst den Wehrdienst verweigert habe. Für einen Startschuss – er zielte dabei vorschriftsmäßig in die Luft – sei das in Ordnung. Bisher habe sich nur nie die Gelegenheit ergeben, da das Signal zum Start oft in anderer Form erfolge.

Der Startschuss war bei Weitem nicht die einzige Unterstützung für die Veranstaltungskombination aus dem Jedermann-Rennen Brezel-Race und dem Wettbewerb der weiblichen Radprofis. Aus kommunaler Sicht begann diese ganz oben, beim Verband Region Stuttgart, setzte sich über die Landeshauptstadt fort bis zu einem vergleichsweise kleinen finanziellen Beitrag aus der Böblinger Stadtkasse.

Böblingen gibt es nicht umsonst

Dass Böblingen Startort wurde, war Oberbürgermeister Dr. Stefan Belz einen mittleren vierstelligen Betrag wert. Seine Begründung: „Wir verstehen uns als Sportstadt und stellen ja beispielsweise auch die Infrastruktur zur Verfügung, damit ein Maurice Schmidt Para-Olympiasieger werden kann. In Böblingen haben wir Vereine, die das Radfahren fördern, vom Breiten- bis zum Leistungssport. Mit der Unterstützung hier setzen wir ein starkes Zeichen für den Frauenradsport.“ Schließlich sei es wichtig, Vorbilder zu schaffen, damit – auch im Alltag – mehr Frauen aufs Fahrrad steigen.

Die Region allein stellte eine Viertelmillion Euro zur Verfügung. „Wir profitieren von der Veranstaltung“, sagte Thomas Bopp am Sonntag in Böblingen, der vor den Sommerferien nach 17 Jahren als Vorsitzender der Region Stuttgart verabschiedet wurde. Die Region wachse dadurch zusammen, weil viele so erst deren andere Ecken kennenlernen würden. Deshalb habe er in seiner Amtszeit immer Wert darauf gelegt, dass sich der Startort von Jahr zu Jahr ändert und damit die Strecke aus einer anderen Richtung zum Ziel in Stuttgart führt.

Ideal sei, so Thomas Kopp, wenn man das Brezel-Race mit einer Leistungssportveranstaltung kombinieren könne, wie in der Vergangenheit mit der Deutschen Meisterschaft oder der Deutschland-Tour oder wie nun eben zum zweiten Mal hintereinander mit dem Women‘s Cycling Grand Prix (die SZ/BZ berichtete). Dann lohne sich das Sperren der Straßen doppelt. Das Jedermann-Rennen sei so ein starker Magnet, dessen Wirkung auf den Tourismus hoch einzuschätzen sei. Im letzten Jahr habe er sich die Mühe gemacht und sich die Autokennzeichen auf dem Parkplatz angeschaut. Diese hätten Herkünfte aus der halben Republik belegt. Ein Ehepaar aus München habe er angesprochen. Diese seien von der landschaftlichen Schönheit so begeistert gewesen, dass sie von sich aus versprochen hätten, wiederzukommen.

Zum Vergleich: Das 2008 eingeführte Velothon in Berlin (heute Velo-City), sozusagen die Mutter der Jedermann-Radrennen auf abgesperrten Straßen in Deutschland mit rund 12000 Teilnehmern die Nummer 2 in Europa, besteht fast nur aus einem Stadtkurs, dessen höchste Erhebungen ein paar Autobahnüberführungen sind. Die 3500 Teilnehmer der Brezel-Race-Distanzen 60 und 110 Kilometer radelten von Stuttgart durch die Landkreise Böblingen und Esslingen und danach zurück zu Start und Ziel, die 30-Kilometer-Tour führte von Stuttgart zum Start des Frauenrennens in Böblingen und zurück.

Außerdem unterstütze man mit der Veranstaltung das Ehrenamt, ergänzt Thomas Bopp. Die Streckenposten und andere Helfer stellen sich zwar unentgeltlich zur Verfügung, doch gibt es pro Kopf einen Beitrag für die Vereinskasse. In Böblingen profitierte davon der Motorsportclub, in Gärtringen unter anderem der Ortsverein des Roten Kreuzes.

Emily Juninger fährt fremd

Schnellster Brezel-Racer auf der großen Runde war der Schweizer Maximilian Fink in 2:37:55 Stunden, was einem Schnitt von 41,7 km/h entspricht. Andreas Hindennach vom Althengstetter Team Radax benötigte als 25. eine knappe Minute mehr. Bester aus dem Kreis Böblingen war Lukas Benzinger vom RV Pfeil Magstadt in 2:39:17 als 48. Die Wertung der Senioren IV holte sich der Waldenbucher Werner Dax in 2:51:18 Stunden. Schnellste Frau aus dem Kreis Böblingen war Constanze Scholz aus Renningen in 3:22:07 vor Ulrike Bäuerle (RSG Böblingen/Aidlingen) in 3:22:47 Stunden auf Platz 50.

Auf der 60-Kilometer-Runde fuhr Ioannis Fotiou vom RV Pfeil Magstadt in 1:33 Stunden als Bester aus dem Kreis Böblingen auf Rang 15 (zugleich Dritter der Senioren II). In der Klasse Senioren V gewann der für den RSV Öschelbronn startende 70-jährige Ehninger Karl Tafel in 1:50:10 Stunden. Eine Überraschung gab es auf dieser Distanz für die Spezialistinnen auf dem Rad. Emily Junginger, am Samstag im Floschenstadion Deutsche Meisterin als Schlussläuferin der 3x800-m-Staffel U23 des VfL Sindelfingen, kam als 29. ins Ziel und war in 1:55:22 Stunden mit 42 Minuten Vorsprung die schnellste Juniorin.