"Unsere Grundrechte sind das höchste Gut""
Weil der Stadt. Auch im Landkreis Böblingen steigt die Zahl der „Montagsspaziergänge“ gegen die aktuell geltenden Corona-Maßnahmen. Über Telegram koordinieren sich vor allem Corona-Leugner und -skeptiker und nutzen eine Lücke im Versammlungsgesetz, das eigentlich eine Anmeldung solcher Zusammenkünfte vorschreibt. In diesen Telegram-Gruppen werden zudem Verschwörungstheorien und Fake News geteilt, die Leser weiter radikalisieren. Die Weil der Städter Stadträte der FDP, SPD, CDU und Grünen unterstützen währenddessen die geplante Mahnwache Demokratie, Rechtsstaat und gegen die Verbreitung von Verschwörungstheorien, die sich am Montag um 17:30 Uhr als Gegendemonstration zu den Montagsspaziergängern positioniert.
Keine pauschale Ausgrenzung
„Gegen Proteste zu den Corona-Maßnahmen ist grundlegend nichts einzuwenden. Das Recht auf Meinungsäußerung und das Recht zu demonstrieren sind ein hohes Gut. Auch denjenigen, die gegen eine Impfung sind, sind diese Rechte einzuräumen. Kritisch wird es jedoch, wenn mutwillig Regeln missachtet werden und die Teilnehmer solcher ‚Spaziergänge‘ gegen unsere demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung verstoßen und hetzen“, kritisiert Scheerer die „Montagsspaziergänge“ scharf. Verunsicherte Mitbürger ließen sich bei diesen Veranstaltungen zu Grenzüberschreitungen mitreißen. Er und seine Kollegen aus dem Weil der Städter Stadtrat wollen keine pauschale Ausgrenzung dieser Menschen und fordern alle zu einem demokratischen Dialog auf.
„Ich erhalte viele Eindrücke und Nachrichten von besorgten Bürgern, die sicher nicht alle Corona-Leugner sind. Die Politik muss sich mit den Sorgen dieser Leute ernsthaft auseinandersetzen. Es darf aber nicht sein, dass man einerseits das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit fordert und gleichzeitig die Grundrechte anderer Menschen missachtet. Ich unterstütze daher ausdrücklich die Mahnwache“, erklärt Scheerer, der außerdem den Wahlkreis Weil der Stadt als Abgeordneter im Landtag vertritt.
„Uns Stadträten ist bewusst, dass viele Menschen unter den Folgen der Pandemie und den Corona-Maßnahmen leiden. Wir gedenken aber auch den Opfern des Corona-Virus und deren Angehörigen und fordern außerdem den notwendigen Respekt vor den demokratisch gewählten Vertretern - die sich Entscheidungen über Corona-Maßnahmen nicht leicht machen - und vor allem vor den Beschäftigten des Gesundheitswesens und anderer öffentlicher Institutionen wie der Polizei und Rettungsdienste, die seit nun zwei Jahren an vorderster Linie gegen den Virus kämpfen“, sagt Scheerer. „Wenn allerdings in Telegramgruppen zur Tötung an Politikern, Medizinern und Wissenschaftlern aufgerufen wird ist das nicht nur untragbar, sondern ein direkter Angriff auf unsere Demokratie.“
„Als Liberalem ist mir immer das kritische Hinterfragen von Gesetzen und Richtlinien wichtig und unsere Grundrechte sind das höchste Gut unserer Demokratie. Dazu gehört es auch andere Meinungen zuzulassen und sich mit diesen auseinander zu setzen. Frei nach Theodor Heuss: ‚Man muss das als gegeben hinnehmen: Demokratie ist nie bequem‘“, erklärt Scheerer. „Gleichzeitig kann die Freiheit eines jeden aber nur gelten, wenn er andere damit nicht gefährdet oder einschränkt. Ich empfehle daher jedem besorgten Bürger auf solchen Veranstaltungen einmal nach links und rechts zu schauen um zu sehen, mit wem er dort wirklich spazieren geht.“