

Böblingen. Ursprünglich will Michelle Schneider nach dem Abschluss der Werkrealschule in einem sozialen Beruf arbeiten, Erzieherin werden. Doch ihr Faible für Mode führt sie in ein Modeunternehmen mit eigener Designabteilung. Als die Firma kurz danach insolvent geht, sitzt der Schock tief. Was nun? Kaufmännisches Berufskolleg oder rein ins Berufsleben? „Ich musste beim Arbeitsamt vorstellig werden, das war dort echt eigenartig. Also habe ich mich selbst auf die Suche nach einer Lösung gemacht.“
In der Berufsschule hatte sie Kontakt zu einigen Reisser-Auszubildenden, die alle über den tollen Zusammenhalt sprachen. „Also habe ich in der Personalabteilung ein bisschen frech angefragt, ob es ok wäre, wenn zu den 16 Azubis noch einer dazu kommt.“ Die junge Frau erinnert sich heute noch gut an ihr Vorstellungsgespräch vor Ort: „An der Pforte musste man einen Passierschein ausfüllen, innen gab es grüne Möbel auf gelbem Teppich. Das war damals old-school.“ Im Frühjahr 2016 startet sie die Ausbildung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel.
Dass Michelle Schneider im fünften Ausbildungsmonat nahtlos zum SHK-Großhändler Reisser wechseln kann, hat sogar einen innerfamiliären Bezug, wie sie erzählt: „Meine Oma hat hier schon in der Buchhaltung gearbeitet und immer nur Gutes erzählt. Manchmal zeigte sie mir stolz das Foto von sich zusammen mit dem damaligen Firmenchef Helmut Reißer. So kam ich also von der Mode zu den Toilettenschüsseln.“
Sie lernt alle Abteilungen kennen, merkt schnell, dass ihr der Vertrieb am meisten liegt und sie in diesen Bereich übernommen werden will. Trotz der Vorgeschichte mit dem ersten Ausbildungsbetrieb und dem unerwarteten Wechsel gelingt es ihr, die Ausbildung auf zweieinhalb Jahre zu verkürzen. Michelle Schneider startet als Sachbearbeiterin im Verkauf Sanitär.
Es dauert gerade mal zwei Jahre, bis Michelle Schneider dann als Teamleiterin für das Gebiet Nagold, Freudenstadt und Stuttgart agiert. „Ich habe mich immer angestrengt, mehr zu machen und auch mein Interesse angemeldet, diese Position zu bekleiden. Ich wollte zusätzliche Verantwortung übernehmen, also habe ich berufsbegleitend auch noch die Ausbildung zum Wirtschaftsfachwirt gemacht.“ Konkret heißt das: An drei Tagen pro Woche büffeln – von Steuerwesen bis BWL. Und für zweieinhalb Jahre eine Doppelbelastung leben, neben dem Arbeitsleben auch noch Lernstoff bewältigen. „Mathe lag mir schon in der Schule, Zahlen haben mich immer interessiert. Wie kommt man zu einem bestimmten Ergebnis? Da fuchse ich mich so richtig rein und will die Methode dahinter erfahren.“
Der nächste Karriereschritt bei Reisser lässt daher nicht lange auf sich warten: Als die stellvertretende Verkaufsleiterin schwanger wird, artikuliert Michelle Schneider ihr Interesse. Um den Posten auszufüllen, macht sie nebenbei noch den Ausbilderschein und drückt die Schulbank für den Betriebswirt. Sie steigt weiter in der Karrierelleiter: Als Verkaufsleiterin für alle Bereiche besucht Michelle Schneider die Kunden, lernt die Sachbearbeiter kennen, führt eine aus 35 Personen bestehende Vertriebsabteilung.
Mit ihrem Mindset, dem hohen persönlichen Einsatz und Engagement hat es Michelle Schneider zur Reisser-Niederlassungsleiterin in der Firmenzentrale Böblingen gebracht, in der Rolle fungiert sie seit September 2024. „Ich bin dankbar, dass die Familie Reißer und der Vorstand mir voller Vertrauen diese Verantwortung übergeben haben. Ich will die Aufgabe nicht nur kurzfristig ausfüllen, sondern ausbauen und so das Unternehmen weiterbringen.“
Vom Außendienst bis zu den Fachverkäufen, von den Angebotsabteilungen bis zu den Designbad-Ausstellungen in Böblingen und Tübingen: Insgesamt 80 Mitarbeitende gehören nun zu ihrer Mannschaft. Dass Erfolg kein Glück ist, sondern das Resultat von Fleiß, davon ist Michelle Schneider überzeugt: „Es fliegt einem nichts zu, manchmal muss man auch kämpfen, sich beweisen. Wichtig ist, dass man sich als junge Frau nicht einschüchtern lässt – nur weil andere mehr Erfahrung oder Knowhow haben, muss man sich nicht klein fühlen.“