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Wie sollten wir mit kultureller und religiöser Vielfalt umgehen? Wie kann man lernen, offen für neue Perspektiven zu sein, auch wenn sie einem zunächst fremd erscheinen? Diese Fragen sind heute so drängend wie zu Lessings Zeiten. Sein Drama „Nathan der Weise“ setzt sich intensiv mit religiöser Toleranz und Fanatismus auseinander und hat schon Generationen von Schülern in ihrem Deutschunterricht begleitet. Das war ein Thema beim Projekttag zum interreligiösen Dialog am Böblinger Otto-Han-Gymnasium (OHG).
Nathan gilt als das klassische Vorbild für Toleranz, Aufklärung und Menschlichkeit. Und dabei hat Lessings beinahe 250 Jahre altes Bühnenstück nichts an Aktualität und Relevanz eingebüßt: Religiöse Vorurteile, Fremdenhass sowie Fanatismus und Fundamentalismus sind auch heute viel zu oft Ursache für Konflikte, Ausgrenzung und fehlendes Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Glaubensrichtungen.
Inspiriert von diesem Werk widmeten sich die Schüler der Klassenstufe 10 des Otto-Hahn-Gymnasiums dem interreligiösen Dialog. Dieser Projekttag sollte für die Schülerinnen und Schüler Raum dafür schaffen zu reflektieren, wie Lessing sich für religiöse Toleranz einsetzt, heutige Herausforderungen im Umgang mit Fanatismus und Fundamentalismus zu erkennen und eigene Standpunkte zu den Themen Glaube, Vernunft und Zusammenleben zu reflektieren.
Im Vordergrund standen dabei die persönliche Begegnung und der offene Austausch. Nach einem gemeinsamen Frühstück suchten sie in verschiedenen Workshops nach dem gemeinsamen Nenner der Weltreligionen, wandten die Goldene Regel in Rollenspielen an, spielten Fallbeispiele zum Thema Toleranz durch oder schlüpften in die Rolle der Figuren aus Lessings Stück, um in einer Talkshow über religiöse Toleranz zu sprechen. Dabei wurde schnell klar, dass der Weg zu einer funktionierenden Gesellschaft in kultureller und religiöser Vielfalt nur durch den offenen, respektvollen Dialog bestritten werden kann – ganz wie Nathan uns das schon vorgelebt hat.
Unter dem Motto „Religion – All You Can Ask“ besuchten David Holinstat und Pelin Katikci - als Vertreter des jüdischen und muslimischen Glaubens - die Zehnt-Klässler und boten in ihrem Workshop einen Raum für Fragen, Diskussionen und Perspektiven rund um Religion. Dieser Workshop wird von der Stiftung „Weltethos“ unterstützt, die sich dafür einsetzt, das Verständnis zwischen Kulturen und Religionen zu fördern. Das Konzept des Weltethos basiert auf der Idee, dass es trotz aller Unterschiede gemeinsame ethische Werte gibt, die Menschen weltweit verbinden – wie Menschlichkeit und Gegenseitigkeit sowie die Werte Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Gleichberechtigung und Partnerschaft sowie ökologische Verantwortung.
David Holinstat und Pelin Katikci schufen eine Atmosphäre, in der keine Frage zu klein oder unangenehm war. Von Ritualen und Feiertagen bis hin zu gesellschaftlichen Vorurteilen – die Themen waren vielfältig. Besonders die aktuellen Ereignisse in der Welt rückten immer wieder in den Fokus, was den Workshop noch greifbarer und relevanter machte.
Am Ende war für alle klarer: Der Schlüssel zum besseren Miteinander liegt im Dialog. Nur wer bereit ist, zuzuhören und Fragen zu stellen, kann Vorurteile abbauen und Verständnis aufbauen.