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Zweiter Weltkrieg

Sindelfingen: Landwirtschaft wird für den Krieg eingespannt

„Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ des Stadtmuseums und Stadtarchivs. November 1944: „Ausgabe der Parolen für die 6. Kriegserzeugungsschlacht“

Von Yannick Wennde
Eine Abbildung aus dem Schulungsbrief „Um Blut und Boden“, 1938.

Eine Abbildung aus dem Schulungsbrief „Um Blut und Boden“, 1938.

Bild: Stadtmuseum Sindelfingen

Sindelfingen. Am 19. November 1944 hielt Herbert Backe, faktisch Reichminister für Ernährung und Landwirtschaft sowie „Reichsbauernführer“, anlässlich der erfolgten Ernte eine Rede in Berlin. Seit 1934 riefen die Nationalsozialisten zur „Erzeugungsschlacht“ auf. Gemeint war damit die Erreichung gesetzter Produktionsziele in der Landwirtschaft, um das Deutsche Reich autark in der Lebensmittelversorgung zu machen. So verkündete Backe im November 1944 die Ziele für das kommende Kriegsjahr.

Die Bauernschaft spielte in der Propaganda der Nationalsozialisten eine besonders wichtige Rolle. Unmittelbar nach dem Machtantritt begannen sie mit der Gleichschaltung der landwirtschaftlichen Organisationen. Am 13. September 1933 gründeten sie schließlich den „Reichsnährstand“ als zentrale Steuerungsbehörde. Streng hierarchisch organisiert, gliederte er sich in 26 Landesbauernschaften, die wiederum in Kreis- und Ortsbauernschaften unterteilt waren. Diese standen unter der Führung ehrenamtlicher „Bauernführer“.

Hoher Zuspruch

Als teils berufsständische Organisation, nahm sich der „Reichsnährstand“ auch der Ausbildung der Landwirte an. Das beiliegende Zeugnis eines Landarbeitsgehilfen aus Darmsheim zeigt die Zugehörigkeit Sindelfingens und Umgebung zur Kreisbauernschaft Tübingen. Auf dem Zeugnis prangt das Motto des „Reichsnährstandes“: „Blut und Boden“. Die NS-Ideologie stellte die heimatverbundene Bauernschaft als den „Hauptquell des Deutschen Volkes“ dar. Unter der Bauernschaft war der Zuspruch zur NSDAP besonders hoch.

So beteiligte sich die Kreisbauernschaft Schönbuch bereitwillig und auf eigenes Betreiben an der Schikane und Terrorisierung der jüdischen Viehhändlerfamilie Ullmann aus Sindelfingen. Mit diesem ideologischen Überbau sollten die Deutschen durch Arbeitseinsätze auf dem Land an diesen „Quell“ herangeführt werden. Das Ziel der Produktionssteigerung machte dies ebenfalls nötig, da der Trend zur Urbanisierung auch im Dritten Reich weiterging und Arbeitskräfte fehlten.

Pflichtjahre für Mädchen

Der Landdienst der HJ, der Reicharbeitsdienst und Pflichtjahre für Mädchen in der Landwirtschaft, sollten Abhilfe schaffen und gleichzeitig die Verbindung der Bevölkerung zur bäuerlichen Lebensweise stärken. Letztlich konnte aber erst der massenhafte Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern den mittlerweile auch durch den Krieg bedingten Arbeitskräftemangel ausgleichen.

Die Versorgungslage im Reich blieb auch während des Krieges relativ stabil, anders als im Ersten Weltkrieg. Lebensmittelrationierung, Preiskontrolle und Produktionssteigerung sowie zentrale Steuerung trugen dazu bei. Aber vor allem auch die rücksichtlose Ausbeutung der besetzen Gebiete zur Versorgung der Wehrmacht und der deutschen Bevölkerung. Dies führte in allen besetzen Gebieten zu Mangel und nicht selten auch zu furchtbaren Hungerereignissen.

Das Projekt

Das Projekt „Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg“ stellt monatlich wechselnd ein Thema oder ein Objekt aus der Zeit vor 80 Jahren im Stadtmuseum in den Mittelpunkt und präsentiert dies in einer Vitrine. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv entsteht auf diese Weise ein Blick in die Vergangenheit, der unter anderem die Alltagssituation der Menschen damals in den Blick nimmt. Die Texte sind auch auf der städtischen Homepage nachzulesen. Die Monatsvitrine zum Thema ist im Stadtmuseum zu sehen.

Info

Das Sindelfinger Stadtmuseum im AltenRathaus in der Langen Straße 13 hat folgende Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag 15 - 18 Uhr, Sonn- und Feiertag 13 - 18 Uhr.