Sindelfingen: Die Ermordung der Sinti-Familie Reinhardt
Sindelfingen. Im Herbst 1930 hatten sich die ersten Mitglieder der Familie Reinhardt in Sindelfingen niedergelassen. Weit außerhalb der Stadt, im Gewann Stelle/Roter Berg hatten sie ein Grundstück gekauft und dort mehrere Wohn- und Eisenbahnwagen, später auch ein kleines Häuschen, aufgestellt. Die meisten erwachsenen Familienmitglieder lebten vom Hausierhandel, so dass sie von Frühjahr bis Herbst zumeist unterwegs waren und sich hauptsächlich über die Winterzeit auf ihrem Sindelfinger Grundstück aufhielten.
In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre hatten einige männliche Familienangehörige feste Arbeitsverhältnisse bei örtlichen Baufirmen oder bei der Firma Daimler-Benz. Wie überall waren die Sinti auch in Sindelfingen von Anfang an nicht gerne gesehen. Immer wieder bemühte sich Bürgermeister Hörmann, ab 1932 sein Nachfolger Pfitzer, erfolglos um eine Handhabe zur Ausweisung der Familie aus Sindelfingen.
1936 begann der Tübinger Nervenarzt Robert Ritter als Leiter der „Rassenhygienischen und bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle“ mit der reichsweiten systematischen Untersuchung von Sinti und Roma. Mit der pseudo-wissenschaftlichen Feststellung der vermeintlichen „rassischen Minderwertigkeit“ wurde der Boden für den späteren Massenmord bereitet. Dokumente aus dem Stadtarchiv und dem Bundesarchiv Koblenz belegen, dass Mitarbeiter von Robert Ritter oder auch er selbst mindestens zwei Mal, im Frühjahr 1937 und im Sommer 1938, an Sindelfinger Sinti ihre Untersuchungen durchführten.
Um die Jahreswende 1937/38 kam es im Rahmen von sogenannten „Maßnahmen gegen arbeitsscheue Elemente“ zu ersten groß angelegten Verhaftungsaktionen. Offensichtlich wurden in diesem Zusammenhang auch Franz Anton und Johann Reinhardt aus Sindelfingen verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau verbracht. Im Juli 1939 wandte sich Katharina Reinhardt, Ehefrau und Mutter der beiden Inhaftierten, in einem eindringlichen Brief an Bürgermeister Pfitzer mit der Bitte, sich doch für die Freilassung ihrer Angehörigen einzusetzen. Wie verzweifelt ihre Lage gewesen sein muss, ist daran zu erkennen, dass sie ihm als Gegenleistung das Grundstück der Familie und den Wegzug aus Sindelfingen anbot. Eine Antwort auf das Schreiben von Katharina Reinhardt ist nicht überliefert.
Durch den Erlass zur „Bekämpfung der Zigeunerplage“ vom 8. Dezember 1938 wurden die örtlichen Polizeibehörden angehalten, regelmäßig Listen über alle ortsansässigen „Zigeuner“ zu fertigen – die bürokratische Grundlage für die „endgültige Lösung der Zigeunerfrage“, wie es in dem Erlass heißt. Die in Sindelfingen in der Folgezeit gefertigten Listen sind im Stadtarchiv erhalten und geben recht präzise Auskunft darüber, wie viele und welche Familienmitglieder sich in Sindelfingen aufgehalten haben.
Die endgültige Entscheidung zur systematischen Inhaftierung und Ermordung von Sinti und Roma fiel um die Jahreswende 1942/43. Ab Februar 1943 begannen die planmäßigen Deportationen. Am 16. März wurde die Sindelfinger Familie Reinhardt schließlich abgeholt. Ihr Weg führte wie der tausender anderer Sinti und Roma in die nationalsozialistischen Todeslager. Mindestens 17 Familienmitglieder sind in Auschwitz-Birkenau, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Mauthausen, Mittelbau und Ravensbrück umgekommen. Ihre Namen sind auf der Gedenktafel neben dem Rathauseingang vermerkt. Das jüngste Kind der Familie war zum Zeitpunkt der Deportation gerade drei Jahre alt.

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