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Am 11. Juni 2014

Reißer in Böblingen: 10 Jahre nach dem Großbrand

Gigantischer Brand legt am 11. Juni 2014 den Großteil des Zentrallagers der Reißer AG auf der Böblinger Hulb in Schutt und Asche.
Von Konrad Schneider
50 Laderampen des neuen Logistikzentrums.

50 Laderampen des neuen Logistikzentrums.

Bild: z

Böblingen. Es ist ein schöner Sommertag, als am 11. Juni 2014 in Böblingen auf der Hulb plötzlich schwarze Rauchwolken in den blauen Himmel steigen. Die Bevölkerung hält den Atem an, die Nachbarschaft starrt auf eine riesige Feuerwalze. Beim Sanitärgroßhändler Reißer legt ein gigantischer Brand einen Großteil des Zentrallagers in Schutt und Asche, insgesamt 8700 Quadratmeter Lagerfläche ist betroffen. Mitarbeiter fürchten um ihre Arbeitsplätze. 450 Feuerwehrleute kämpfen stundenlang gegen das wütende Feuer an. Es wimmelt vor Einsatzfahrzeugen, in der Luft kreisen Hubschrauber.

Immer wieder kommt es zu Explosionen und mächtigen Feuerbällen. Die Auswirkungen der Feuersbrunst sind bis Stuttgart zu spüren. Das Flammeninferno ist in Böblingen der größte Brand der Nachkriegsgeschichte. Eine 100 Meter hohe Rauchwolke erhebt sich, bis zu 20 Meter hohe Flammen lodern auf dem Gelände. Rasend schnell und horizontal breitet sich das Feuer aus, Gebäudeteile stürzen ein. Katastrophenschutz, Brandermittler und Kriminalpolizei machen sich vor Ort ein Bild, die Floriansjünger sind fünf Tage lang mit den Löscharbeiten befasst. „Riesige Rauchsäule über der Stadt“, „Der schlimmste Brand nach dem Krieg“ und „Kein Feierabend für die Feuerwehr“ – die Schlagzeilen geben einen Eindruck davon, was sich vor zehn Jahren bei Reißer ereignete.

Umfassender Erneuerungsprozess

„Der Brand vor zehn Jahren war ein einschneidendes Ereignis für unser Unternehmen – und gleichzeitig eine Chance für einen Neuanfang. Wir haben die Herausforderungen gemeistert und uns neu aufgestellt, um zukunftssicher positioniert zu sein“, erklärt Guntram Wildermuth-Reißer, Vorstandsvorsitzender der Reißer AG. Die Katastrophe zeigte sich als große Herausforderung für den Betrieb und wurde gleichzeitig zum Ausgangspunkt für einen umfassenden Erneuerungsprozess. Mit überdurchschnittlichem Engagement und strategischen Investitionen wurde das Unternehmen neu aufgebaut: Bereits 2015 wurde in Böblingen der Neubau angegangen, das neue Logistikzentrum in zwei Bauabschnitten realisiert. 38 000 Quadratmeter ist der Gebäudekomplex groß, der aus mehreren Lagerbereichen besteht – das entspricht 8,5 Fußballfeldern.

Die moderne Logistik hat bis heute Vorbildcharakter: Im Automatischen Kleinteilelager lagern die Artikel an 114 000 Behälterplätzen. 25 systemgesteuerte Shuttles bewegen sich über die Förderstrecken in fünf Gassen auf jeweils 38 Ebenen. Genauso beeindruckend sind das Wabenregal und Langgutlager. In Kassetten wird die Ware aufbewahrt, jede davon ist 6,70 Meter lang und kann mit bis zu drei Tonnen belastet werden. Apropos Tonnen: 27 Tonnen wiegt das Warenbediengerät und der Deckenlaufkran trägt bis zu 5,5 Tonnen.

Neben der Logistik als Herzstück hat sich Reißer nach dem Großbrand mehr denn je als Sanitärspezialist aufgestellt: 2018 wurde die neue Designbadausstellung in der Firmenzentrale Böblingen eingeweiht – auf 2400 Quadratmetern gibt es diverse Inspirationen zur Gestaltung der unterschiedlichsten Badträume und Wohlfühlräume. Dass die Weichen in Richtung Wiederaufbau so deutlich gestellt wurden, dafür war damals Helmut Reißer als Firmenchef verantwortlich. Mit seiner Bodenständigkeit legte der 80-Jährige ein weiteres Mal den Grundstein für die Zukunft – davon ist der Vorstand bis heute überzeugt. „Wir sind immer in Bewegung, Stillstand ist für uns keine Option“, betonte Wildermuth-Reißer anlässlich der Feier zum 150-jährigen Firmenjubiläum, das 2022 mehrere Tage auf dem Gelände begangen wurde. Parallel dazu zeigt der Großhändler mit eigenem Roadshow-Truck im gesamten Land, welche Dynamik und Entwicklung in den Jahrzehnten zu verzeichnen waren.

„Seit den Ereignissen vor zehn Jahren hat Reißer eine Strahlkraft weit über Böblingen hinaus gewonnen. Diese Krise zu bewältigen, das hat uns massiv gestärkt. Sich auf neue Situationen immer wieder einzustellen und Veränderungen für sich zu nutzen, das liegt in unserer Firmen-DNA begründet“, freut sich Wildermuth-Reißer. Fünf Tochtergesellschaften formen heute zusammen die Reißer Gruppe. Die Reißer AG ist ein klassisches Familienunternehmen und arbeitet in enger, partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit mehr als 10 000 Fachhandwerkern. Der Großhändler beschäftigt rund 1980 Mitarbeitende an mehr als 58 Standorten hauptsächlich im Südwesten Deutschlands.

Investitionen – in Niederlassungen und Digitalisierung

Dass Reißer die Not zur Tugend gemacht hat, zeigen die vielfältigen Investitionen und Fortschritte im letzten Jahrzehnt – auch und erst recht in den Niederlassungen: So wurde 2017 das Logistik- und Verwaltungsgebäude Heilbronn neu gebaut, 2023 dann die hybriden Ausstellungskonzepte bei KFK Frankfurt und Bertsche Radolfzell ins Leben gerufen. Für die SHK-Fachkunden wurden diverse Abholmärkte neu eröffnet und das Servicenetz erweitert, dazu zählen Kirchheim am Neckar, Pforzheim, Lahr, Nagold und Calw. Reißer setzt auf Entwicklung und auf Wachstum – auch in Zeiten, in denen die Branche hart zu kämpfen hat.

Aktuell sind Investitionen in die Digitalisierung im Gange: Die Einführung von SAP zur Optimierung der Geschäftsprozesse und die Entwicklung hybrider Ausstellungskonzepte tragen dazu bei, den aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Kunden gerecht zu werden. Auch die Nachhaltigkeit ist ein Thema bei Reißer: Auf dem Logistikzentrum wurde 2024 eine Photovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von fast 1,9 MW installiert.

Ein weiteres bedeutendes Ereignis in der jüngeren Geschichte der Reißer AG ist die erfolgreiche Integration von Jessica Reißer, Vertreterin der fünften Generation, in die Geschäftsführung. Bereits seit drei Jahren ist sie im Unternehmen tätig und hat seither maßgeblich zur Weiterentwicklung beigetragen. Mit frischen Ideen und einem klaren Blick auf die Zukunft wird sie das Unternehmen weiter voranbringen und die Tradition des Familienunternehmens fortsetzen: „Ich freue mich sehr Teil unseres traditionsreichen Unternehmens zu sein und gemeinsam mit dem engagierten Team die Weichen für die Zukunft zu stellen. Unser Fokus liegt darauf, innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen unserer Kunden gerecht werden“, sagt Jessica Reißer.