Johanniter: Wenn sich der Alarm als Scherz entpuppt
Ehningen - In der letzten Phase des Wahlkampfs besuchten zwei Bundestagsabgeordnete die Ehninger Rettungswache der Johanniter-Unfall-Hilfe. Nach der SPD waren nun die FDP mit Dr. Florian Toncar und die CDU mit Marc Biadacz beim Johanniter-Regionalverband Württemberg Mitte zu Gast. Reformen im Ehrenamt, Rettungseinsätze, die keine sind, sowie der endgültige Standort der Rettungswache Ehningen waren Schwerpunkte der Gespräche. Mit einem Positionspapier zu dringend notwendigen Reformen in Bereichen wie Rettungsdienst, Pflege und Bevölkerungsschutz hatte die Hilfsorganisation Abgeordnete zum Gedankenaustausch eingeladen.
„Rund 310.000 Kilometer hat unser Rettungswagen in knapp vier Jahren zurückgelegt.“ Für Rettungsdienstleiter Matthias Mast ist dieser Streckenrekord auch zustande gekommen, weil das Fahrzeug zunehmend für Einsätze ausrücken musste, die eigentlich keine medizinischen Notfälle waren. „Es gibt immer wieder einen Alarm, der sich als Scherz entpuppt. Und wir hatten auch schon Fälle, da wollte sich jemand mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus bringen lassen, nur um schneller dran zu kommen“, erzählt Mast.
Die Frage des FDP-Abgeordneten Florian Toncar, ob es dafür Konsequenzen gäbe, verneint Matthias Mast, rechtlich sei das nicht vorgesehen. Die Johanniter plädieren hier lieber für den flächendeckenden Ausbau von Bereitschaftspraxen und kassenärztlichen Notdiensten. Sie könnten Einsätze übernehmen, die keine Notfallrettung erfordern und damit sowohl Sanitäter als auch Notärzte entlasten.
Entlastung könnten auch zusätzliche ehrenamtliche Kräfte bieten. In vielen Bereichen ist die Hilfsorganisation wesentlich auf ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Das ist vor allem durch die Corona-Pandemie nochmals verdeutlicht worden: Der Johanniter-Regionalverband konnte nur dank ehrenamtlicher Hilfe Impf- und Testzentren mit aus-reichend Personal besetzen, um die ersten Wellen der Pandemie zu bewältigen. Doch das Interesse am Ehrenamt sinkt, nicht nur wegen der recht geringen Entlohnung. Die Freistellung von hauptamtlichen Mitarbeitern für ehrenamtliche Ein-sätze ist noch nicht bundesweit einheitlich geregelt, was die Zusammenstellung von Hilfsteams erschwert.
Abhilfe könnte hier das vom CDU-Abgeordneten Marc Biadacz vorgeschlagene „Deutschlandjahr“ schaffen: „Damit möchte unsere Partei junge Menschen nach dem Schulabschluss verpflichten, ein Jahr lang in sozialen Einrichtungen zu arbeiten. Dabei können sie in verschiedene Bereiche hineinschnuppern und bleiben vielleicht als Nachwuchskräfte hängen.“ Auch für Florian Toncar wäre die Möglichkeit, praktische Erfahrungen beispielsweise im Bundesfreiwilligendienst zu sammeln ein wichtiger Schritt, um viele Vorurteile gegenüber sozialen Berufen zu mindern und nachhaltig neue Einsatzkräfte zu gewinnen.
„Die längerfristige Planungssicherheit ist für unsere Rettungsdienste und den Krankentransport sehr wichtig“, betont Matthias Mast. Deshalb hofft er auf die kommenden Abschlussjahrgänge in den Ausbildungsberufen. Insbesondere für die neue Rettungswache in Bad Rippoldsau-Schapbach, die Mitte September an den Start ging, suchen die Johanniter noch Notfallsanitäter. Für die Wache in Ehningen haben Matthias Mast und Thomas Braune jetzt ganz frisch die Zusage der Gemeindeverwaltung für einen endgültigen Standort im neuen Gewerbegebiet des Ortes erhalten. Dann kann das Rettungsteam aus den inzwischen sehr eng gewordenen Containern in einen Neubau umziehen. Voraussichtlicher Betriebsstart ist im Jahr 2024.
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