Ein Koch dekonstruiert den schwäbischen Kartoffelsalat
Seit diese kleine, feine Rubrik wiederbelebt wurde, erreichen uns immer wieder auch Tipps von Leserinnen und Lesern, die einem den Besuch in diesem oder jenem Lokal ans Herz legen. So war das auch mit dieser Empfehlung dieses neuen Hauses, das so erst seit gut einem Jahr geöffnet hat. Draußen rauscht die Rems, drinnen gibt’s schon viel Blingbling und Gold. Da will einer ganz klar auf gehobene Gastronomie gehen, im Regal stehen die Champagnerflaschen und an der Wand ist der Spruch „Das Leben ist zu kurz für schlechten Wein“ zu lesen. Hier in der Villa Hirzel geht es um Genuss. Am Nebentisch diskutiert eine Gruppe von Stammgästen, welches der Gerichte auf der Karte sie noch nicht probiert haben. Am Ende des Abends kann man sie durchaus verstehen.
Alles auf Anfang
Als 2021 ein Feuer im Restaurantraum ausbrach, war der Schaden immens. Nach der Renovierung wurde das Haus im April 2022 wiedereröffnet. Jetzt also wird man in modern gestalteten Räumen willkommen geheißen, der Service ist vom Fach und zuvorkommend, und die Karte liest sich sehr vielversprechend. Es gibt neben den Menüs (drei bis fünf Gänge) auch ein À-la-Carte-Angebot, das auch mit Klassikern wie Zwiebelrostbraten (29,90 Euro mit Spätzle und Maultasche) und Wiener Schnitzel, aber auch mit tollen vegetarischen Gerichten aufwartet.
Das Essen ist ambitioniert
Das 5-Gang-Menü (84,90 Euro) bietet einen ganz wunderbaren Einblick in das Können des Kochs Janis Hofmann, der seit Juni 2021 im Haus ist und als Vorbilder Jan Hartwig und Tim Raue nennt. Und ja: Sein Essen hat Niveau und Innovationskraft. Als erster Gang sind die drei kleinen Knödel mit kross gebratenen Austernpilzen ein fabelhaft-habhafter Start in den Abend. Während es im Menü mit einer Sauerkrautpraline und Schweinefleisch, kleinen Schupfnudeln und rezentem Kümmelsauerkraut weitergeht, ist das vegetarische Rote-Bete-Tatar mit Orangen und Buttermilchjus (12,90 Euro) ein schmackhafter Start.
Highlight im Menü ist ganz klar die Consommé, in der ein Tortellino, eine Viertel Zwiebel und eine Ochsenschwanzpraline baden. Dieser Koch hat Mut und dekonstruiert gar ein schwäbisches Heiligtum: so wird zur Maultasche mit Trüffel ein Schaum gereicht, der – kein Witz – wie ein guter schwäbischer Wirtshauskartoffelsalat schmeckt. Man kann das für eine Spielerei abtun, oder aber den Koch für die Idee feiern. Das Rinderfilet mit samtig dicker Jus ist eine sehr große Portion, so ist der feiste Schokokuchen (mit sagenhaftem Marzipaneis) kaum zu schaffen. Auch die Schwäbin hat ja immer was zu kritteln – und einziges Manko hier: Es sind wirklich außerordentliche Portionen. Der vegetarische Hauptgang zeigt einmal mehr, dass Gemüse (hier: Sellerie, Rote Bete, Haselnüsse und Schnittlauch), geschmacklich den Fleischgängen in nichts nachsteht. Und es bleibt auch noch Platz für ein Dessert. Mit 15 Minuten Zubereitungszeit ist er auf der Karte angekündigt, deshalb muss natürlich der Kaiserschmarrn probiert werden. Und schon allein für diese bombastische Süßspeise ist Schwäbisch Gmünd einen Ausflug wert.
Restaurant
Villa Hirzel Villa Hirzel; Remspark 2, Schwäbisch Gmünd, Telefon 07171/ 87 73 90. Es gibt ein Mittagslunch-Angebot. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 11.30 bis 14.30 und 17.30 bis 22.30 Uhr