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Freier Eintritt auch am Sonntag

Die Rückkehr ins Floschenstadion

Mit Musikkapelle, Festakt und den ersten Sportwettkämpfen feiert Sindelfingen seine Herzblut-Arena.
Von Jürgen Wegner

 Aus Vereinen: Juwel, Schmuckkästchen, Wohnzimmer. Es fallen ausreichend Wörter, die beschreiben, was das Floschenstadion für die Sportler ist, und nicht nur für sie: Kaum ein anderer Ort in der Stadt schafft bei Sindelfingern so viel Identität, wie das sportliche Herz, das seit Samstag wieder zuverlässig schlägt.

Die Sanierung ist abgeschlossen, das Stadion wieder frei, wobei es sich genau genommen um einen Neubau handelt. 20 Millionen Euro steckt die Stadt insgesamt in die Anlage, zu der auch der nebeliegende Kunstrasen samt Leichtathletik-Nebenanlagen gehören.

Verbunden sind die beiden Sportstätten durch das alterwürdige Marathontor, an dem früher eine Schautafel daran erinnerte, womit alles begann: Durch einen Kraftakt der US-Streitkräfte, die den Sport nach dem Zweiten Weltkrieg im Allgemeinen wiederlaubten und im Speziellen auch förderten, um die Verbundenheit zu den Sindelfingern zu demonstrieren. Innerhalb kürzester Zeit stampften sie damals mit schwerem Gerät das Floschenstadion aus dem sumpfigen Boden, das bis zum Abriss im März 2022 unzählige Sportgeschichten schrieb.

Starke Bürgerinitiative

Dass es heute noch an selber Stelle steht, ist unter anderem einer Bürgerinitiative zu verdanken, die sich mit Macht und Stimme dagegen stemmte, dass hier eine zum Teil mehrgeschossige Wohnbebauung entsteht. Auch aus finanzieller Sicht war das für Sindelfingen von großem Vorteil, wie später Bohrungen zeigten. Die Pfahlgründungen für neue Gebäude hätten weit in den Boden greifen müssen und hohe Kosten verursacht. Auch deshalb war das Zwei-Zentren-Modell wieder vom Tisch und damit der Umzug des VfL Sindelfingen an eine andere Stelle.

Anja Hornikel und Ulrich Weber als Anwohner und Sprecher der Bürgerinitiative sehen das Ergebnis ausgesprochen gerne: „Man mag sich gar nicht vorstellen, dass hier jetzt Wohnbebauung wäre. In dieser Form ist das Stadion eine tolle Lösung, die begeistert. Mitten in der Stadt liegt ein absolutes Juwel, das Sportler motiviert, ihr Bestes zu geben.“ Nur zur Farbe der Laufbahn geht die Meinung der beiden auseinander. Anja Hornikel hätte das gewohnte Rot wohl besser gefallen.

"Wie über Wolken"

Das wiederum sieht der Großteil der Protagonisten und Besucher bei der Eröffnung ganz anders: „Das Blau ist, als ob du über Wolken gehst“, sagt VfL-Vizepräsident Andreas Bonhage. Stadtrat Hermann Ayasse ist „heilfroh über die Initiativen der Leichtathleten und dass ich die blaue Farbe mit durchgeboxt habe.“ Leichtathletik-Präsident Jürgen Kohler wiederum ist „schlichtweg begeistert. Wir haben so lange gewartet und jetzt ist es soweit.“ Ader Tribüne schlägt derweil beim ehemaligen VfL-Geschäftsführer Roland Medinger das Herz höher. Schließlich hat er über viele Jahre die Planungen begleitet und als Bindeglied zwischen Lenkungsgruppe und Abteilungen auch koordiniert.“

Eben diese Koordination ist, was Dr. Heinrich Reidelbach als Präsident des VfL Sindelfingen besonders gut gefällt. Als erste Pläne verschwanden und 2015 der Grundsatzbeschluss fiel, das Floschenstadion an alter Stelle zu sanieren „war es uns als Verein und vor allem für die Abteilungen Fußball und Leichtathletik ganz wichtig, eng in die Planungsprozesse eingebunden zu werden. Man sieht heute, dass es das wert war. Es ist mehr als ein Stadion und deshalb ist heute ein besonderer Tag für die Stadt, den Sport und den VfL Sindelfingen. Der Sport braucht eine gute Infrastruktur“, sagt er ohne zu verschweigen, dass es bei den Sporthallen noch Nachholbedarf gibt.

Kitt der Gesellschaft

Die Bedeutung der Infrastruktur unterstreicht Andreas Felchle als Präsident des Württembergischen Landessportbundes: „Wo Städte investieren, werden Ergebnisse erzielt. Bundesweit geht hier ein Riss durch dieses Verständnis, aber Baden-Württemberg hat verstanden, wie wichtig eine gute Infrastruktur für Breitensport und Spitzensport ist.“ Deshalb ist er dankbar für einen Stadtrat und Rathaus, „die wissen, wie wichtig Vereine für die Gemeinschaft sind. Sie sind der Kitt der Gesellschaft. Ohne die Bereitschaft zu investieren und Sportstätten auch zu unterhalten, ginge im Vereinssport nichts.“

Bei diesen Worten fällt es Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer leicht von einem „großen Tag“ zu sprechen, „dem wir lange entgegenfieberten“. Stadiondiskussionen hatte es schon um die Jahrtausendwende gegeben. Seit der Grundsatzentscheidung 2015 und einem Projekt für den gesamten Sport unter freiem Himmel in Sindelfingen, Maichingen und Darmsheim mit einem Volumen von mittlerweile 40 Millionen Euro blieb Sindelfingen ziemlich gut im Zeitplan, was der OB zu einem ganz wichtigen Teil auch der mittlerweile in den Ruhestand gegangenen Ulrike Egenolf und dann ihrem Nachfolger Fabian Albrecht als Projektleiter zuschreibt. Dazu haben Architekten und Baufirmen dafür gesorgt, „dass das Ergebnis tatsächlich so aussieht wie auf den Plänen“.

VfL gegen GSV bei freiem Eintritt

Bevor die Leichtathleten ihr Stadion am Samstag mit den Deutschen Meisterschaften der Langstaffeln in Beschlag nahmen, hatte die Stadtkapelle unter Leitung von Timo Kächele einen kleinen Sportler-Festzug durchs Marathontor ins Stadion geführt. Die von Birgit Hamann geleitete Speedy-Schule ging voran, dahinter liefen Jugendkicker des VfL und auch die VfL Sindelfingen Ladies. Deren Präsident Josef Klaffschenkel ist ebenfalls voll zufrieden: „Viele Vereine in der Frauen-Bundesliga oder in der Regionalliga würden sich nach solcher Sportstätte die Finger lecken.“ Seine Frauen dürfen am Sonntag um 13 Uhr gegen den FV Bellenberg in die Verbandsliga starten. Dann gibt es um 15.30 Uhr ebenfalls bei freiem Eintritt das Landesliga-Derby des VfL Sindelfingen gegen den GSV Maichingen.

Natürlich gibt es auch den symbolischen Akt, bei dem die Entscheider vor der Haupttribüne ein Band durchschneiden. Zur Schere greifen dabei der Bauchplan-Landschaftsarchitekt Mart Simisker, Gabriele D'Inka vom Stuttgarter Büro D'Inka-Scheible-Hoffmann-Lewald, Sportamtsleiter Christian Keipert, Sindelfingens Erster Bürgermeister Christian Gangl, Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer, Projektleiter Fabian Albrecht, VfL-Präsident Dr. Heinrich Reidelbach, Ladies-Vorstand Josef Klaffschenkel und der Leichtathletik-Abteilungsleiter Jürgen Kohler.

Im Ziel ist die Sanierung dabei noch nicht ganz, draußen muss der Rasen noch ein wenig anwachsen. Das Kiosk ist noch nicht fertig, aber Wolfgang „Atze“ Achatz arbeitet seit Mittwoch täglich mehrere Stunden am Provisorium, das am Sonntag dann auch funktioniert. Und für künftig ist noch nicht ganz klar, wie man insgesamt den Zugang zu den Spielen regelt. Zu den Kinderkrankheiten der Arena gehört noch das ein oder andere Schlupfloch.